Meine erste hybride Konferenz nach der Pandemie: Scoopcamp 2021. Ich kann nur am zweiten Tag dabei sein. Am letzten Tag meiner Elternzeit mit Kind 4 nehme ich mir Auszeit von ihm und Zeit vor dem Computer und Zeit für das Nachdenken über den Journalismus.
Das habe ich früher häufiger gemacht, und gerne auch darüber gebloggt. Etwa über Besser Online im Jahr 2015, https://www.krautsource.info/gedanken-zu-besser-online-2015-in-koeln-djvbo/, die Zukunft im Journalismus ganz allgemein https://www.krautsource.info/die-zukunft-im-journalismus/.
2021 ist das wieder wichtiger, weil ich in Zukunft wieder meinen beruflichen Schwerpunkt dort setzen werde, wo guter Journalismus organisiert wird. Mehr darüber zu anderer Zeit.
Leider fällt im heimischen Arbeitszimmer der Hallway-Track weg, der wichtigste einer jeder Konferenz. Dort habe ich die wichtigsten Kontakte verknüpft und/oder vertieft.
Keynote von Pia Frey: Was die Verlagswelt von der Creator Economy lernen kann (und sollte!)
Pia Frey, die Gründerin von Opinary, fällt mit einem wichtigen Thema für die Verlage gleich nach der Begrüßung und Preisverleihung beim Scoopcamp 2021 ins Haus, mit einem Fokus auf Paywall. Dass Paywalls nicht reichen, sondern neue Prozesse, CRM-Tools und Newsletter-Marketing. Und dort stehen sie gleich im Gegensatz zu den YouTubern und anderen Creators, die auch für ihr scharf umrissenes Produkt „Ich und mein Content“ Geld von ihren Fans haben wollen. „Unter 2 Prozent würden für ein Vollsortiment zahlen.“ Das werde für eine Menge Problembären sorgen.
30% der bestbezahlten Creators bei Substack seien eigentlich als Journalisten zu zählen, die ihren Brotjob im Verlagshaus verlassen konnten und zwischen 5.000 und 30.000 Dollar im Monat einnehmen. Diese und auch die Middle Class der Creators schöpften aus ihrer Sicht die Zahlungsbereitschaft der Nutzer*innen ab.
Warum ist das so? Menschen bauen eher eine Beziehung zu Menschen auf, so Freys aus eigener Sicht valideste These.
Was sollten Verlage tun? Sie rät zum De-Bundling der Subscriptions. Verlage sollten zu personenbasierter Zahlungsbereitschaft pivoten. Wie etwa mit Chefredakteursnewslettern, Gabor Steingart und Kochen bei der Zeit. Gründe, die dagegen sprechen: Kannibalisierung der eigenen Vollabos – was sie auch von Mitarbeitern der Verlage schon im Gespräch gehört.
Was ihr bei den Medien fehlt: die Interaktion darf nicht an den Kundensupport ausgelagert werden. Auch Redaktionen müssen das Gespräch mit den Nutzer*innen ownen. Den beliebtesten Stimmen müssten Verlage einen Thron bauen, mit CRM und Audience Development. Viel stehe dagegen, aber dieser Trend kann auch von Verlagen genutzt werden.
Die Kraft der Marke sei natürlich stark, aber die Dekonstruktion des Elfenbeinturms am Rande der Stadt auf Einzelstimmen sei noch nicht so in den Köpfen angekommen. (Eine Ausnahme ist wohl so jemand wie Charles Pierce bei Esquire.)
Impuls-Vortrag: Die Wahrnehmung von KI in den Medien: Bedrohung oder Fortschritt?
Wie denkt eigentlich das Land über die KI? Interessanter waren die Ausreißer in dem Datenberg, den Judith Klose von Civey beim Scoopcamp 2021 präsentiert hat. Nachrichten-Apps und Nachrichten-Webseiten sind bei jüngeren Menschen viel vertrauensvoller als ins Fernsehen. Während der Pandemie gab es einen starken Anstieg in klassische Institutionen, wie Parteien – und dazu zählte Klose auch den Journalismus. Anhänger der Grünen und der SPD haben ein größeres Vertrauen in die Medien als alle anderen Parteien, am wenigsten vertrauen den Medien AfD-Anhänger.
Ohne Vorwissen wäre mehr als zwei Drittel der Befragten besorgt, von künstlicher Intelligenz im Journalismus manipuliert zu werden. Ähnlich hohe Werte gibt es auch bei Angst um Pressefreiheit. Gerade beim geschriebenen Wort sei die Bereitschaft gering, durch KI generierte Inhalte zu konsumieren.
Künstliche Intelligenz im Journalismus
KI ist ein so hilfreicher Begriff wie Essen oder Landwirtschaft, findet Uli Köppen vom BR. Man müsse genauer hinschauen, wo die Probleme wirklich auftreten – und was die aktuelle Situation hergibt. Den Begriff KI wollen alle genauer fassen oder gleich aufs Altenteil schicken, um die Diskussion genauer und besser zu machen. Journalismus-Professorin Christina Elmer sieht Literacy auch gesamtgesellschaftlich als einen wesentlichen Weg dahin – und auch über Usecases findet die KI den Weg in den Journalismus. Ein schönes Beispiel, was offenen Türen einrennt: Transkription von Interviews, was vorher Stunden gedauert hat. Das offene Thema uferte dann leider aus, Journalismus als Gegner von Fake News, sorry, you lost me there.
Drehscheibe Klimakrise im Stream beim Scoopcamp 2021
Wie kann man die Klimakrise (Framing: nicht -wandel, sondern -krise!) herunterbrechen kann im Journalismus, so dass ihn auch die Nutzer:innen anklicken, gerade auch im Sportjournalismus: Das zeigte Sara Schurmann, deren Talk anders als geplant gestreamt wurde. Olympia hätte die Möglichkeit gegeben, angesichts von Hitzetagen auch über das Klima zu berichten. Oder im Lokalen – wo die Energie wirklich verbraucht wird, etwa bei der Klimabilanz der Gebäude, die heute gebaut werden. Die stehen auch dann noch rum, wenn wir klimaneutral sein wollen in Deutschland. „Rente, Kinderkriegen und Hauskauf statt Eisbären, Gletschern und fernen Nationen“ – mich hat sie damit überzeugt.
Dass die Moderator:in einfach so gendert, wie wir es von den heute-Moderator:innen kennen. – danke. Das ist das neue Normal, das ich mir wünsche.