Den Rucksack, den er trug, fand ich auch auf den ersten Blick gut. Der Rucksack- und Kofferbesitzer selbst war tief in sein Smartphone versenkt, da erkannte ich Matt Mullenweg an seinem Bart. Ich hatte also das Glück, mit dem Miterfinder und BDFL von WordPress zum europäischen WordCamp zu fliegen. Ich wollte ihm so viel sagen, mindestens aber Danke. Aber auch er hat mal Ruhe verdient. Daher dieser kryptische Instagram-Post von mir.
Insofern begann mein WordCamp in style, wie ich finde. Mein erstes Mal in Belgrad, mein erstes Mal überhaupt auf dem Balkan. Und natürlich ist der Krieg auch ein Thema im Taxi auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt. (Mehr über meine Eindrücke aus der Stadt verrate ich in einem eigenen Blogpost, weil die Stadt viel in mir zum Klingen gebracht hat.)
Was bleibt also vom WordCamp Europe 2018 an Erkenntnissen? Matt Mullenweg hat in seiner Rede zur Lage der Nation (erstes Mal in Europa, sonst macht er einen Fireside-Chat) so etwas wie eine Roadmap für den nächsten Feature-Sprung in der Entwicklung von WordPress vorgestellt, Gutenberg. Schon im August, vielleicht aber auch ein, zwei Monate später, wird Gutenberg Teil des Core-Produktes von WordPress.
Was kommt danach? Das war die erste Frage, die ich mir aufgeschrieben hatte. Und Matt hat sie beantwortet: Über kurz oder lang werden auch Funktionen wie Widgets und Menüs durch die Blocks-Logik ersetzt. Für Millionen von WordPress-Nutzern wird sich dadurch viel ändern. Gut, dass es den Shortcode-Wrapper-Gutenberg-Block gibt.
Wer Angst vor Gutenberg hat, sollte JETZT das Plugin Classic Editor installieren. Ich warte auch, der Blogpost ist gleich noch da.
Noch da?
Das neue Gutenberg-T-Shirt ist schon schön, oder? Leider gab es das nicht auf dem WCEU zu kaufen. Aber eins für 15 Jahre WordPress. Ring. (Das war das Geräusch der Kasse, das die natürlich nicht gemacht hat.)
Beherrschendes Thema auf dem WordCamp Europe 2018: Gutenberg
Für den Gutenberg-Workshop für Entwickler hatte ich mich nicht angemeldet, schon um Menschen, die React können, keinen Platz wegzunehmen. Aber Gutenberg war nicht nur mein großes Thema in Belgrad. GutenBElGRad, sozusagen.
(Und ja, ich zahle meine 2 Cent in die Wortspielsozialkasse.)
Tammie Lister war und ist der Design-Lead für Gutenberg in der ersten Phase (Blocks im Editor-Interface), und in ihrem Vortrag verrät sie, welche Muster und Denkweisen Designer und Entwickler haben sollten, wenn sie einen neuen Vortrag für das neue Block-System haben sollten.
Matías Ventura habe ich danach zugehört, und er verriet noch mehr über Gutenberg, was man schon hätte wissen können. Aber manchmal muss man sich die Produktvision erläutern lassen, das sorgt für ein tieferes Verstehen. Die Prinzipien sind einfach. Unter anderem soll verhindert werden, dass Gutenberg für einen solchen Lock-in-Effekt sorgt wie manche „Premium“-Themes, die ohne vier Plugins, die zusätzlich installiert werden, gar nicht erst funktionieren bzw. eine kaputte Frontendansicht hinterlassen. Bei Krautpress gibt es noch mehr Argumente:
Kritisiert wird, dass hier Inhalte an ein vorhandenes Theme angepasst werden. Tammie Lister, Leiterin des WordPress-Theme-Review-Teams, hat zu Multipurpose-Themes eine schöne Analogie formuliert: Ein Parka mag ein nützliches Kleidungsstück sein, das von jedem zu jeder Jahreszeit getragen werden kann, auf Opern-Bällen aber zu Irritationen führen könnte. Mit einem Theme (oder Kleidungsstück) ist es eben doch nicht getan.
Diesen Text sollten alle Theme-Autoren kennen, und alles von Morten Rand-Henriksen.
Spoiler: Ab jetzt wird es persönlich
Seit zwei Jahren gehe ich zu WordCamps (Wien, Köln, Paris, jetzt Belgrad), und ich frage mich, warum. Aus Interesse klar, aber manchmal fühle ich mich auf den Events verloren, zwischen all den Menschen.
Ich fühle mich nicht als Teil der Community, aber das liegt an mir. Die Community selbst hat offene Arme. Ich habe in vielen Umfeldern, in die ich gehöre, oft das Gefühl, nicht dazuzugehören. Ich bin kein Designer, und ich bin doch einer. Ich bin kein aktiver Journalist mehr, sondern Blogger. Und doch liegt mir Journalismus am Herzen.
Produktentwickler für WordPress
Kleine Fingerübung: Was mache ich da? Leider kann ich meiner Statistik in Rescue Time nicht sehen, wie viel Zeit ich in wp-admin, also dem Admin-Backend der vielen WordPress-Instanzen, die ich besitze oder pflege, verbringe. Auf der Pfadebene wird das in Rescue Time nicht ausgewiesen (übrigens, über Rescue Time muss ich mal etwas schreiben). Aber es dürften pro Jahr mehrere Tage sein. Ich bin also Power-User von WordPress und Produktentwickler einer Plattform, die darauf basiert. Damit gehöre ich vielleicht nicht in den Entwicklerzirkel, aber schon in den der fortgeschrittenen Anwender. Aber die Gelegenheiten, um Teil der Community zu werden, habe ich verstreichen lassen: den WordPress-Slack, den deutschen Slack-Workspace für WordPress und auch die Fotogelegenheit der deutschen Blase auf dem WordCamp. Für die nächsten zwölf Monate habe ich mir vorgenommen, mich mehr einzubringen. So soll es nicht bleiben.
Mit dem letzten Vortrag, den ich auf dem WCEU gesehen habe, kam dann der lang erwartete Kopfnicker: Aaron Campbell erzählt von seiner Reise der Selbstentdeckung, an deren Ende die Einsicht stand – auch Introvertierte wie er können Erfolg haben, wenn sie auf ihre eigenen Bedürfnisse hören. Aaron ist der mit dem kleinen Hut auf WordCamps.
Also, ich gehe weiter zu WordCamps, und umarmt mich, damit ich nicht weiter so fremdle.
Mit den Mullenwegs schließt sich der Kreis. Wen habe ich im überschaubaren Terminal 2 des Nikola-Tesla-Flughafens wieder gesehen? Charleen Mullenweg. Sie ist die Schwester von Matt und natürlich hat sie mir das im Gespräch nicht gesagt und ich habe es nicht geahnt, bloß, dass sie nicht für WordPress arbeitet, und ich habe mit ihr am Swag-Stand von WordPress.com Small Talk gehalten. Auch sie reiste wieder nach Hause.