Podcasts – die Session beim Vocer Innovation Day 2016

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Journalismus / Konferenz / Podcast
Wenn es um journalistische Innovation geht, sind derzeit Podcasts nicht weit. Was sind Podcasts? Für uns Oldtimer sind das RSS-Feeds mit langen Wortbeiträgen (meistens Wort, manchmal auch mit Musik versehen). Oder anders: ein kostenloses Spotify für längere Wortbeiträge.

Längere – das steht für alles über zehn Minuten. Wie die Besucher des Workshops „Podcasts“ auf dem Vocer Innovation Day 2016 in Hamburg festgestellt haben, sind Podcasts in Deutschland in großen Teilen Zweitverwertungen von langen Hörfunkproduktionen aus den Rundfunkanstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Warum ist das so? Der Rundfunkstaatsvertrag steht dagegen (PDF). Vereinfacht gesagt: Sendungsbegleitende Downloads sind machbar, alles andere ist schwieriger, weil es der ausdrücklichen Genehmigung bedarf – funk fällt etwa unter diese Regeln:

„Ist ein neues Angebot oder die Veränderung eines bestehenden Angebots nach Absatz 1 geplant, hat die Rundfunkanstalt gegenüber ihrem zuständigen Gremium darzulegen, dass das geplante, neue oder veränderte, Angebot vom Auftrag umfasst ist. Es sind Aussagen darüber zu treffen,

1. inwieweit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht,
2. in welchem Umfang durch das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beigetragen wird und
3. welcher finanzielle Aufwand für das Angebot erforderlich ist. Dabei sind Quantität und Qualität der vorhandenen frei zugänglichen Angebote, die marktlichen Auswirkungendes geplanten Angebots sowie dessen meinungsbildende Funktion angesichts bereits vorhandener
vergleichbarer Angebote, auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zu berücksichtigen. Darzulegen ist der voraussichtliche Zeitraum, innerhalb dessen das Angebot stattfinden soll.“

Es gibt aber auch eine Nähe bei den handelnden Personen im Podcast. Podcastmacher kommen oft aus dem öffentlich-rechtlichen System. Einfach deshalb, weil dort viele der Wortmacher zum Hören arbeiten. Im Privatradio wachsen eher Moderatoren heran, nicht so sehr Beitragsgestalter und Menschen, die vom Inhalt her kommen. Behaupte ich mal.

Das sah man auch bei den Podcastern, die die Vocer-Konferenzmacher für den Workshop gewinnen konnten:

  • Lilly Wagner ist Reporterin beim ZDF und bei RTL, hat ein Konzept für funk eingereicht und auch grünes Licht für die Umsetzung bekommen. Und sie hat ein Volontariat beim SWR gemacht. Und sie hat dieses wundervolle Selfie von der Session gemacht!
  • Holger Klein moderiert alle zwei Woche die Nachmittagsschiene bei Radio Eins. Früher war er eine Ewigkeit Radiomacher bei Radio Fritz. Und dieses Radio-Urgestein macht auch Podcasts. Einige als Hobby, andere als Corporate-Produktionen.

Was meint Klein damit? Was sind Corporate Produktionen? Er macht formal ähnliche Podcasts wie seine eigene, macht diese auch als lange Interviews – aber bei Resonator etwa für die Helmholtz-Forschungsgemeinschaft. Das ist PR für eine wissenschaftsinteressierte Zielgruppe. Die ist etwa 20-50.000 Downloads pro Folge groß. Das lohnt sich also nur dann, wenn eine finanzkräftige Institution dahinter steht. In den USA ist das ein Content Marketing-Trend, den etwa General Electric erkannt hat.

In Deutschland kann man mit Podcasts noch nicht richtig Geld verdienen, meint Klein. Beziehungsweise: Darauf sollte man es nicht anlegen. Ich finde das eine Frechheit, auch wenn er das charmant verpackt hat. Denn: Die Einstiegshürden sind beim Podcasting nur wenig höher als beim Bloggen, wie er auch selbst beschreibt. Mit ein paar hundert Euro kann man beinahe in den Radios sendefertiges Material erzeugen, das war früher viel teurer. Und um sein eigenes Format zu finden, reichen auch die Aufnahmemöglichkeiten des iPhones völlig aus. Und etwas anzufangen, ohne zu wissen, dass man damit irgendwann mal die Miete zahlen kann, ist irgendwie nicht besonders erwachsen.

Wie man aus der Reaktion der Teilnehmer des Workshops Podcast merkt, fehlt aber vielen Neulingen der Zugang – zum System, weniger zum Thema. Radio ist eine schwer einnehmbare Festung, wenn man nicht über ein Netzwerk in die Anstalten verfügt. Und wer nicht über diese Beziehungen Rundfunktechnik einatmet, wird ein bisschen abgeschreckt beim Einstieg in die Szene. Klein gibt auch zu, dass das Fachsimpeln bei der Aufnahmetechnik schlimme Züge annehmen kann und preislich beim Equipment eines Radiomachers /Podcasters keine Grenzen nach oben gesetzt sind.

Als Podcasthörer muss ich sagen, dass ich empfindlich bin, was die Aufnahmequalität angeht. Wenn ich im Auto einen Podcast höre und die Lautstärke auf das Maximum anheben muss, sowohl am Signal auf dem Smartphone als auch auf dem Aux-In-Signal im Autoradio, aber die Sprache eines des Sprechers dennoch dem Windgeräusch auf der Autobahn nicht gewachsen ist, ist der Griff zum Skip-Button schnell gemacht. Ein Aufruf an alle Podcastmacher in eigener Sache: Hört euch eure Produktion mal unter ungünstigen akustischen Bedingungen an. Nicht im abgehängten Studio und auch nicht im Schrank, sondern in der U-Bahn, im Bad in der Nähe der Dusche und vor allem im Auto. Ein anderes vermeidbares Artefakt aus sehr einfachen Audioproduktionen sind Ploppgeräusche des Sprechers, wenn er zu hastig in Mikrofonnähe artikuliert. Ich bin da auch gefährdet, man kann da über die richtige Mikrofonhaltung viel lernen

Und weil ich möchte, dass mehr Einsteiger in die Podcastszene kommen, hier ein paar Tipps:

Was sind denn die Geschäftsmodelle für Podcasts? Da wurde ich in der Session nicht schlauer. Darüber wurde nicht so richtig gesprochen, sieht man von Gesamtfinanzierungen für Produktionen durch die Rundfunkanstalten oder Corporate Sponsors ab. Die scheinen aber wichtig zu sein, siehe Resonator oder die General-Electric-Produktionen.

In den USA haben darüberhinaus Direktvertriebler Podcasts für sich entdeckt. Casper, das sind die mit den Matratzen, die man online kaufen und 100 Tage testen kann, wirbt viel. In This Week in Google, einem meiner Lieblings-Podcasts, kommen auch andere Onlinevertriebler als Kunden vor – Domainverkäufer Hover, Projektmanagementtoolhersteller Basecamp und Essenslieferant Blue Apron.

Wer in der US-Szene ein bisschen herumhört, wird diese und vor allem das Geschäftsmodell des Direktvertriebs über das Internet immer wieder antreffen. Über Promocodes wird die Zuweisung der Vertriebserfolge (Attribution) geregelt, und vielleicht auch ein bisschen über Spikes an Veröffentlichungstagen. Hier sind die gleichen Ungenauigkeiten in der Zählung ein Problem wie bei Fernsehwerbung – wie viel des Traffics kann man einer bestimmten Marketingmaßnahme zuschreiben und wie viel entspricht dem eigentlichen Grundrauschen auf meiner Landingpage.

In Deutschland ist Viertausendhertz der Vorzeige-Vermarkter und Publisher für Podcasts. Sponsor-Ansagen werden hier auch von den Presentern vorgelesen und sind etwa eine Minute lang. Aber es gibt auch andere Werbeformen, wie Banner-Werbung auf den Detailseiten der einzelnen Podcast-Folgen. Wie gesagt: Das muss man sich als Neu-Podcaster zusammensuchen. Wie so oft bei Konferenzen mit Inhaltemachern – die Geschäftsmodelle werden nicht immer mitgedacht.

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