Süddeutscher Journalistentag 2013 – like it’s 2001 or 2002

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Journalismus
Wir hören und speichern, was wir hören wollen. Auch ohne jetzt die entsprechenden Studien zitieren zu können – wir alle kennen den Effekt. „Heute Abend gibt es Schweinebraten mit Rosenkohl“. Wer hört da schon den Rosenkohl heraus?

Natürlich wollte ich diese Schwarzmalerei hören. Schon auf dem Bussteig am Mainzer Bahnhof hörte man 40- bis 50-jährige Berufskollegen jammern, dass dieses Online immer mehr an Bedeutung gewönne. Und die anderen Kollegen, die vor allem zum Mitnehmen von Kugelschreibern und zum Bestaunen von sehr prominenten Mitgliedern des Berufsstandes (Gundula Gause!, Ulrich Meyer!), waren natürlich mir auch sehr willkommen.

Da die Situation der Zeitungen heute (am 16.3.2013) auf dem Journalistentag auch ein Thema war – da passte das als Einstimmung zu gut, um es nicht hier auch aufzuschreiben.

Wie Elmar Theveßen möchte ich auch mal einen meiner Journalismus-Professoren zitieren. „Wissenschaft ist eben auch Schwarzbrot.“ So oder ähnlich ging das Bonmot an der Universität. Lokaljournalismus ist derzeit offenbar das Schwarzbrot im Medienbetrieb. Claus Monhart, Chefredakteur des beim Main-Echo, einer Tageszeitung mit 76.000 Auflage, erzählte aus der Provinz. Er habe Probleme, seine Außenredaktionen in Städten mit vielleicht 15.000 Einwohnern mit jungen Journalisten zu besetzen. Diese wollten lieber im Kulturressort arbeiten, dieses könne er theoretisch mit bis zu 30 Kollegen besetzen. Vorteil am Kulturressort: Die Journalisten, die in Großstädten oder vielleicht in Tübingen studiert hätten, könnten in der Großstadt wohnen bleiben. Aber Lokaljournalismus, der auch daraus bestehe, in den entsprechenden kleinen Ort zu ziehen und dort anzukommen, ließe sich mit diesen Journalisten eben nicht machen.

So düster ist die Stimmung also mittlerweile bei den ehemaligen Renditekönigen aus den Zeitungsverlagen. Die Gesellschaft habe einfach ein geringeres Interesse am Journalismus. Und auch die Journalisten, die aus ihr hervorgehen, gehören allmählich dazu – so in etwa habe ich das Impulsreferat von Elmar Theveßen verstanden. Selbst beim ZDF sei mittlerweile in den Bewerbungen zu sehen, dass die rechtlichen und ethischen Grundlagen bei vielen Jungredakteuren fehlten. Diese versuche man durch Workshops nachzuholen, erklärte der stellvertretende ZDF-Chefredakteur. Man sei darüberhinaus in der luxuriösen Lage, Bewerbungen von hochqualifizierten jungen Journalisten zu erhalten, für die es bei ihren bisherigen Print-Stationen nicht weitergehen. Der baden-württembergische Landesverbandsvorsitzende des DJV, Thomas Godawa, nannte das Kind beim Namen: Bezahlung unter Tarif (für junge Journalisten und für Online-Journalisten) und immer wieder befristete Verträge.

Aber es gibt auch Lichtblicke. Ausgerechnet die Schlachtrösser Gundula Gause und Ulrich Meyer konnten mit ihrer Leidenschaft für das, was sie tun, anstecken. Die beiden sind seit 20 Jahren oder mehr auf dem Bildschirm (tatsächlich tut Frau Gause seit 20 Jahren den Dienst im heute-journal).Die beiden hielten ein Plädoyer dafür, die Vermittlungsleistung von Moderatoren nicht zu klein zu reden. „Wir sind Marken für unsere Sender“, so Meyer. Meyer, ja dieser Meyer, den man ja mal für den größten Kotzbrocken im Privatfernsehen halten konnte (Der heiße Stuhl etc.), begab sich auf Kuschelkurs zu den Öffentlich-Rechtlichen. Gause kuschelte zurück – Personal wechsle ja hin und her. Eine schöne Zusammenfassung der Woche, in der erstmals in diesem Land ein durch lange Jahre im Privatfernsehen gegangener Journalist Intendant einer öffentlich-rechtlichen Anstalt wird (Peter Limbourg bei der Deutschen Welle). Ob Meyers Begeisterung gespielt war oder nicht – sie ist an einem vom „alle wollen nichts mehr von uns wissen“-Lebensgefühl geprägten Kongress eine Wohltat.

Der schlagfertigste Redner war aber Joachim Braun, seit zwei Jahren Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers in Bayreuth. Und für mich ganz persönlich auch der, der mir neben Stefan Plöchinger und den beiden Wolfgangs das Gefühl gibt, dass sie verstanden haben, was getan werden muss, um dem Journalismus wieder Relevanz zurückzugeben. Brauns Blatt hat noch eine Auflage von 36.000. Er verriet nicht, wie es da in den letzten Jahren aussah. Aber das zeigt ja eine kleine Recherche bei der IVW (Update folgt). Er hat keine Probleme, Nachwuchs für die Redaktionen zu finden. Das hat aber auch mit geänderten Ansprüchen zu tun. Hochschulabschluss ist nicht mehr zwingend Pflicht. Das war in den Nuller Jahren vielerorts ganz anders. Vielleicht hat es auch mit seiner Strahlkraft zu tun als jemand, der einem Redakteur das Vertrauen in die Macht und die Attraktivität einer Lokalzeitung zurückgeben kann.

Er war der Redner, dessen Sätze sich am besten für Tweets eignen.

„Wir müssen wieder in die Herzen der Leser zurück“ – war eine dieser Aussagen.

Wer mir heute gefolgt ist, hat einiges davon auch schon lesen können. Wahrscheinlich bietet es sich auch an, daraus etwas mit Storify zu machen. Update am 17.3.: Hier ist das Storify.

Disclaimer Hinweis: Vor langen Jahren habe ich mal für den Nordbayerischen Kurier als freier Journalist gearbeitet. Dabei habe ich vor allem Filmkritiken beigesteuert. Also das Zeug, von dem es mittlerweile mit Recht in vielen Diskussionen heißt – das muss eine Regionalzeitung nicht selbst machen.

Das hat mich auch zum Titel dieses Postings inspiriert. Nachdem das Lokalzeitungsgeschäft gemeinsam mit der CD im Jahr 2000 einen einmaligen Peak gefeiert hatte, ging es seitdem bergab. 2001 habe ich das erste Mal eine Kündigung bekommen, weil der Verlag sich nicht mehr leisten konnte oder wollte. Schon damals ging die Angst vor dem Internet um. Irgendwie hat sich nicht so richtig viel getan seitdem – zumindest in den Verlagen. Ich glaube, 2003 war das nächste Mal. Seit 2008 helfe ich nur noch, Journalismus und Medien zu organisieren, bin ich nicht mehr in vorderster Front tätig.

Update: Auflagenentwicklung seit 1998

Produktkritik: iPhone 5 als neues Diensthandy

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Allgemein
Seit einigen Woche habe ich ein neues Handy vom Arbeitgeber. Vorher hatte ich einen Blackberry. Größter Vorzug des RIM-Geräts? Man musste nur einmal pro Woche damit an die Steckdose. Nachteil: E-Mails darauf lesen war doppelte Arbeit. Erstens machte es keinen Spaß, zweitens musste man sie auf dem Desktop dann noch einmal löschen.

Das neue iPhone ist da anders. Das Lesen und Bearbeiten von E-Mails macht Spaß. Newsletter und anderer Bacon sind schnell gelöscht. Und mal schnell eine Mail auch am Wochenende beantwortet.

Gratuliere, Arbeitgeber!

Warum das Schreiben von Mails an einem Android-Gerät noch mehr Spaß macht, ist ein Thema für eine weitere Produktkritik.

Warum der Verlust einer Lokalzeitung keiner ist

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Journalismus
Natürlich ist der Verlust von 120 Arbeitsplätzen eine Tragödie, besonders in einer strukturschwachen Region wie dem Ruhrgebiet, Sauerland und Siegerland.

Natürlich ist es eine Farce, dass der Verlag, der die Westfälische Rundschau betreibt, die Marke beibehalten will, aber das Gebäude Zeitungsprodukt dahinter komplett entkernen will, ja sogar abräumen.

Natürlich ist die Art und Weise, wie der Verlag in den letzten Jahren Konzernstrategie betrieben hat, gleichermaßen zynisch wie kurzsichtig.

Aber: Ist es wirklich schlimm, dass das publizistische Produkt WR nicht mehr existiert?

Wohl kaum.

„Sie glauben doch wohl nicht, dass auf Seite drei des Lokalteils in Dortmund noch Qualitätsjournalismus stattfindet?“

Dies oder zumindest sinngemäß waren dies die Worte von Prof. Dr. Hans Bohrmann in einem Presse-Seminar am Institut für Journalistik in Dortmund, an dem ich auch studiert habe. (Disclaimer Hinweis: Ich habe sogar zwei Jahre als freier Mitarbeiter für die Dortmunder Lokalredaktion der WAZ gearbeitet, im Anschluss an ein Pflichtpraktikum. Diesen Lokalteil hat die WAZ bei der Säuberungsaktion vor einigen Jahren bereits geschlossen.)

So nennt das ein Akademiker. Für Berufsstandkritiker wie Hardy Prothmann ist es Bratwurstjournalismus. Ich habe keinen Überblick über die Qualität der hinteren Seiten eines lokalen Zeitungsteils im Ruhrgebiet oder im Verbreitungssprengel der Westfälischen Rundschau. Aber meine wohl begründete Annahme ist es, dass es gerade in den kleineren Städten und kleineren Teams mit der Qualität nicht besser gestellt ist als bei den Lokalzeitungen in meiner neuen Heimat, dem bayerischen Alpenvorland. Während auf der ersten Seite im Lokalteil noch Featurefotos von professionellen Fotoredakteuren Eingang finden, finden sich im hinteren Teil nur Gruppenbilder, Reproduktionen von Bauvorhaben, zugesandte Vereinsbilder. Ich möchte hierfür Titelschutz für den Begriff Kaninchenzüchterjournalismus anmelden, in alter Harald-Schmidtscher Tradition.

Neben dem obligatorischen Bericht aus der Ratssitzung oder der Hauptausschusssitzung (kaum verständlich, weil die Vorgeschichte fehlt und einfach der Sitzungsverlauf nacherzählt wird, kaum Analyse vorhanden) stehen da die Fotos vom Spendenaufruf fürs Altenheim, die Ehrung der Jubilare und die Leuchtenaktion für einen sicheren Schulweg. Alles ehrenwerte Sachen, aber auch status-quo-erhaltend und schnarchlangweilig.

Kennen Sie noch eine Familie, in der die Eltern zwischen 30 und 40 sind und wo eine Tageszeitung auf den Tisch kommt? Nein, Journalisten- und Politikerpaare lassen wir nicht gelten. Für die 30 Euro im Monat, die eine mediokre Tageszeitung kostet, bekommt man ja schon fast das Fußball-Paket von Sky.

Was ist also bei der WR schief gegangen? Der Verlag hat vergessen, was die Basis seines Geschäfts ist, was ihn besonders macht. Das ist die direkte Kundenbeziehung. Die weiß man bei Sky sehr zu schätzen. Man hört direkt, wenn denen das Paket nicht gefällt, das äußert sich in Mails und an der Hotline.

Meine Erfahrung in der Tageszeitungsbranche sagt mir, dass an vielen Orten, wo Zeitung gemacht wird, der Leser als störendes Element betrachtet wird. Die Sonntagsreden von der Aufklärung und vom Kämpfen für den Leser – die sind genau das, Sonntagsreden. Da wird kalkuliert in Redaktionskonferenzen: „Wie viele Mitglieder hat der Verein, der Chor?“ Da wird die Seite mit den Leserbriefen zusammengestellt, die schlimmsten rechten und linken Verirrungen herausredigiert. Aber wenn der Empfang meldet: „Da ist jemand hier unten, der möchte sie sprechen“ – dann reagiert die nackte Angst.

Denn viele Zeitungsredakteure, mich damals eingeschlossen, wollen gar nicht den direkten Kontakt mit dem Leser. Damit sabotieren sie die eine Beziehung, die die Grundlage von allem ist. Wahrscheinlich haben die meisten Printredakteur vom Cluetrain Manifesto noch nie etwas gehört. Aber es ist die Wahrheit. Nennen wir hier mal nur die ersten vier Thesen:

  1. Märkte sind Gespräche.
  2. Die Märkte bestehen aus Menschen, nicht aus demographischen Segmenten.
  3. Gespräche zwischen Menschen klingen menschlich. Sie werden in einer menschlichen Stimme geführt.
  4. Ob es darum geht, Informationen oder Meinungen auszutauschen, Standpunkte zu vertreten, zu argumentieren oder Anekdoten zu verbreiten – die menschliche Stimme ist offen, natürlich und unprätentiös.

Das gilt für alle Unternehmen. Für die Telekom, wenn man an der Hotline schlecht behandelt wurde, bei Starbucks, wenn der Kaffee mal nicht schmeckt. Und sogar für Zeitungen.

Viele Lokalredakteure sagen dann immer: „Dafür war keine Zeit.“ Weil die Seiten auch anders vollgepflastert werden mit Content. Es geht aber im Journalismus nicht um Quadratzentimeter für Quadratzentimeter Content, es geht in erster Linie um die Menschen. Biete ihnen etwas an, was sie brauchen oder haben wollen, und sie werden kommen. Das zeigt der Erfolg der ach so entspannten Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Wenn jetzt also vom Erhalt der Medienvielfalt die Rede ist – glauben Sie den Verlagsspitzen der WAZ kein Wort. Es ist gut, dass diese Zeitung geht. Sie macht Platz für Innovation. Für lokale Blogs, mehr Qualität beim Wettbewerber Ruhr Nachrichten. Ich wünsche den ehemaligen WR-Mitarbeitern, einige habe ich vor Urzeiten auch mal getroffen, alles erdenklich Gute. Aber leider wird ihre Aktion wohl nicht fruchten. Die Rundschau ist gegangen. Der Verlag hätte sie komplett platt gemacht, wenn er sich nicht Anzeigen- und Aboerlöse erhoffen und Angst vor dem Kartellamt haben würde.

Noch einmal zur Erinnerung: Warum Magdalena Neuner so eine Ausnahmesportlerin ist

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Allgemein
Sie hat ihre Karriere beendet.

Sie wird im nächsten Monat 25 (http://de.wikipedia.org/wiki/Magdalena_Neuner).
Sie hat drei Mal den Gesamtweltcup gewonnen.
Sie hat zwölf Weltmeistertitel gewonnen.
Sie ist Doppelolympiasiegerin.
Und wenn der Biathlon-Weltcup nach Ruhpolding kommt, ist sie Co-Moderatorin bei der ARD, obwohl sie keine Moderationserfahrung hat.

Wieso ist die Lena da? Weil sie den gleichen Stellenwert in ihrem Sport hat wie Pete Sampras beim Herrentennis, Steffi Graf bei den Damen, Real Madrid und FC Barcelona zusammen beim Fußball.

Hat sie ihre Mütze wohl selbst gemacht?
http://www.magdalena-strickt.de/

(Ja, ich weiß, dass die gehäkelt sein dürfte. Aber es ist doch der Wahnsinn.)