Filmkritik: „Logan – The Wolverine“

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Film

Die Jungs neben mir haben laut aufgestöhnt, als der Abspann von „Logan“ endlich begann. Sie hatten gelitten. „Logan“ hält uns allen den Spiegel vor, wie wir es mit dem Altern halten. Ich werde dieses Jahr 40 Jahre alt. Ich finde das Thema extrem reizvoll, weil ich Altern als Chance begreife. „Logan“ betont aber unsere Vergänglichkeit, unser Sterblichkeit. Sogar Mutanten mit schier unerschöpflichen Regenerationskräften kommen in die Jahre.

Charles X. Xavier ist Mitte 90, und er wird von seinen letzten Getreuen wider Willen in einem Verschlag gehalten. Das ist zu seinem Schutz und zum Schutz der Welt. Mit dem hohen Alter ist Xavier nämlich die Fähigkeit abhanden gekommen, seine Hirnkapazität immer zu kontrollieren. Wenn ihm die Kontrolle entgleitet, stößt er lähmende Hirn-Schall-und-was-auch-immer-für-Wellen aus, die Menschen verletzen könnten. Bei einer Attacke dieser Art sind mehr als 60 Menschen ums Leben gekommen. Da nahm Wolverine ihn auf und steckte ihn ins metallene Gefängnis. Xavier ist weit gefallen, aber sein endzeitiges Arrangement ist eine Antwort auf ein Land, in dem man weder dem Gesundheitssystem noch dem Staat traut.

Logan fährt für einen Uber-Klon im Jahr 2029 eine schwarze Limousine. (Offenbar können US-Autohersteller in der Zukunft immer noch keine vernünftige Mechanik bauen, und offenbar überschätzen sich US-Autofahrer immer noch derart wie wir das kennen.) Damit hält er sich und seine Männer-WG in Mexiko über Wasser. Sehr deutlich hält der Film Logan den Spiegel vor: Ungelernte Männer wie er taugen nur mehr als Fahrer, und die Lastwagenfahrer, den häufigsten Beruf der Gegenwart in den USA, braucht es nicht mehr. Fahrerlose Gespanne beherrschen die Highways. Hier channelt James Mangold die Versprechungen der Autoindustrie und ihrer Disruptoren wie Otto, im Jahr 2025 spätestens große Teil des Warentransports automatisiert zu haben. Außerdem kann man da Anleihen an Filme wie „Truck“ (richtigen Titel recherchieren) und „Cars“ sehen, wenn man das möchte.

So hat sich Logan die Welt jedenfalls nicht vorgestellt, und im Grunde hält ihn nur sein Pflichtgefühl gegenüber Xavier aufrecht und ihn am Funktionieren. Den unermüdlichen Pfleger Caliban kann er kaum würdigen. Dabei schultert diese den Großteil der Pflege. Übrigens ein sehr interessantes Mehrgenerationenwohnen, was die Herren da haben. Erinnert an die Alters-WG von Henning Scherf von weitem.

Jungskino wie dieses geht volles Tempo bei der Gewalt. Auch in diesem Wolverine-Film. Wer „Deadpool“ deshalb schon nicht mochte, sollte um „Logan“ einen großen Bogen machen. Dennoch komme ich mit der Brutalität und dem Sterben und dem Leid in „Logan“ besser klar als mit dem stets mit einem zwinkernden Blick versehenen Gemetzel in Deadpool. In diesem FIlm wird klar: Gewalt hat Opfer, und auch die vermeintlichen Sieger und Überlebenden leiden, leiden, leiden.

Spoiler!

Besonders die Gefühle zwischen den Generationen heben den Film weit über das Superhelden-Allerlei heraus. Logan sieht sich als Vater eines Mädchens, das auf ihn angewiesen ist. Xavier sieht sich als väterliche Beschützerfigur für Logan. Logan wiederum sorgt sich wie ein Sohn um den gebrechlichen und kranken 90-Jährigen. Das sind alles Themen, die im lauten Actionkino sonst nicht angebracht werden. Am Ende bedauert man, dass Hugh Jackman und Patrick Stewart nie wieder in die X-Men-Welt zurückkehren werden. Aber es ist die logische Entscheidung. Begraben ist begraben.

Wertung: 4 von 5 Popcorneimern

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