Buchkritik: Noch ein Google-Schlüsselroman

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Bücher / Google
Früher hieß es Sex, Drugs, Rock’n’Roll.

Jetzt, wo der Rock tot ist, nur noch Sex and Drugs.

So lässt sich der neue Schlüsselroman „The Show“ von Filip Syta zusammenfassen. Syta war mal Accountmanager bei Google, wie sein Linkedin-Profil zeigt. Ich glaube, das ist das erste Profil eines Romanautors bei Linkedin, das ich je besucht habe. Normalerweise machen solche Seiten ja die Verlage für die Autoren oder der Autor hat sein eigenes .wordpress.com-Blog. Auf alle Fälle ist das Profil Treffer Nr. 2, wenn man nach dem Autor bei Google sucht.

Syta war dafür zuständig, dass Werbekunden bei Google mehr Anzeigen buchten. Dafür spricht aus meiner Erfahrung das, was er in seinem Lebenslauf schreibt. Und zwar aus der Werbefabrik für Europa aus Dublin heraus. Die allermeisten Kunden des Adwords-Programms werden aus der europäischen Zentrale aus Dublin heraus betreut. Nur wenige Accountmanager sitzen in den Ländern der EU.

The-Show-CoverUm was geht es in „The Show“? Ein Absolvent einer Elite-Uni fängt bei dem Konzern „The Show“ an, einem Autorkunstgriff, sich mal wieder einen neuen Namen für die Giganten des werblich-industriellen Komplexes auszudenken. Es könnte Facebook sein oder Google. So wie Hooli halt bei „Silicon Valley“. (Ich bin bloß ein bisschen verschnupft, dass es nicht für ein Doppel-O gereicht hat.)

Hinter den glänzenden Fassaden ist es so, wie unsereiner sich das vorstellt: Die Mitarbeiter arbeiten hart, feiern hart, mit Alkohol, illegalen Drogen und miteinander. Sie belügen Kunden mit erfundenen Zahlen.

Doch dann trifft der Protagonist ein Mädchen.

The Bad

Was mich an dem Buch stört, ist der Fokus auf das aggressive Anzeigen-Vertriebsgeschäft. Meiner Meinung nach ist das der uninteressanteste Teil an einem der Big 4 (Apple, Amazon, Facebook, Google). Hier findet Effizienzsteigerung statt, Geld aus alten Werbeindustrien wird in ein neues Medium geleitet. Die Durchbrüche wie der Google-Such-Algorithmus oder der Newsfeed passieren in den Engineering-Abteilungen. Zu denen hatte Syta wohl keinen Zugang, oder er durfte aufgrund von Verschwiegenheitsklauseln nicht darüber schreiben.

Warum ist das so wichtig? Ich habe dazu nur anekdotisches Wissen. Aber ich habe vor einigen Jahren den Google-Campus in Mountain View besuchen dürfen und eine kurze Tour bekommen. Es gibt normale Bürogebäude mit leicht besseren Kantinen, dort arbeiten die AdSense- und AdWords-Mitarbeiter. Und dann gibt es die bekannten Cafeterien mit besserem Catering, wo der Chefkoch Millionär wurde, und die erste Physiotherapeutin/Masseurin auch.

The Good

Was hat mich trotzdem dazu gebracht, das Buch zu Ende zu lesen?

  • Es ist nur 180 Seiten lang, minus die üblichen Verlagsseiten und Hinweise auf andere Bücher also noch kürzer. Das gibt Lektüre für zwei Pendlertage.
  • Der Protagonist kommt glaubwürdig suchend rüber, so wie ein Nachfolger von Dustin Hoffman aus „Die Reifeprüfung“.
  • Ab und an blitzen Schilderungen der Szenerie hervor, die eine ausgesprochen lyrische Komponente haben, nichtsdestotrotz aber Fremdkörper in dem sehr sachlichen, sehr einfach geschriebenen Roman bleiben.
  • Bei einem Test der Lesekompetenz würde das Buch gut abschneiden, so Viertklässler-Niveau würde ich sagen. Es liest sich gut weg.
  • Dass es von keinem Muttersprachler stammt, merkt man nicht. Guter Lektor, vielleicht?
  • Mich interessieren Schilderungen aus dem Innenleben der großen Internetkonzerne. Uneingeschränkt empfehle ich immer noch das toll recherchierte Sachbuch „In the Plex“, den Essay „What Would Google Do“ und „Hatching Twitter“. Ein Roman ist eine neue Note, wenn auch keine ganz neue. „The Circle“ habe ich vor lauter Mitteilungsdrang und „Schaut her, wie schlimm das alles ist“ nicht zu Ende lesen können. Auch wenn die Figuren in the Show genauso konstruiert sind – sie haben einen Hauch von Menschlichkeit behalten.

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