Reisenotizen aus Amsterdam

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Reisen
Auf dem Weg zum Flughafen Schiphol bei einem Business-Trip nach Amsterdam blieben zwei Gerüche in meiner Nase hängen, immer wieder.

Tulpen aus Amsterdam. Foto: Mario Gogh/Unsplash

Tulpen aus Amsterdam. Foto: Mario Gogh/Unsplash

Nein, nicht der von Tulpen aus Amsterdam. Auch wenn man am Flughafen immer und immer und immer wieder darauf hingewiesen wird, dass Tulpen nun mal wirklich zu den Niederlanden dazu gehören.

Ich gebe ein paar Tipps:

Er ist süßlich, überwältigend.

Er drängt sich auf.

Ja, genau. Er kommt aus den verschiedenen Lush-Filialen in der Stadt. (Lush verkauft Cremes, Badezusätze und ganz viel parfümiertes Zeug.)

Und es gibt natürlich noch das typische Odeur vom Kiffen. Nicht nur um Coffeeshops herum, sondern auch im Park hinter dem Rijksmuseum.

Tulpen stellen ja, wenn man das Display der Shops am Flughafen betrachtet, ungefähr ein Drittel der Exporte der Weltmacht Holland dar. Ich scherze natürlich, im Wesentlichen wird die holländische Tourismusindustrie durch zwei Exportschlager am Laufen gehalten: Käse und Van Gogh.

Käse aus Holland macht ein tolles Mitbringsel, nicht nur für Menschen, die hinter dem käsernen Vorhang in Moskau leben (mehr über den Käsenotstand in Russland hier), sondern für alle. Also fast alle, die nicht laktose-intolerant sind. Wir werden immer mehr! (= Ich vertrage auch Milch und Käse nurmehr, wenn ich Laktrase einnehme. Habe ich mir natürlich noch am Flughafen gekauft, als ich losgeflogen bin. Weil Holland ohne Käse? Habe ich dann doch nicht gebraucht.)

Und es gibt mittlerweile ein Mashup. Kannste dir nicht ausdenken, issaberso.

Van-Gogh-Käse.

Van Gogh Premium Aged Gouda. Eigenes Foto

Van Gogh Premium Aged Gouda. Eigenes Foto

Ich wäre fast mit meinen Holzpantoffeln ausgerutscht.

Um eine Ehrenrettung zu versuchen: Vielleicht mochte Van Gogh ja Käse, gemalt hat er ihn ja.

Riesiger Holzpantoffel am Amsterdamer Flughafen Schiphol, für Kinder zum Spiel gedacht. Eigenes Foto/Albert Heijn

Riesiger Holzpantoffel am Amsterdamer Flughafen Schiphol, für Kinder zum Spiel gedacht. Eigenes Foto/Albert Heijn

In Bayern tobt derweil ja ein Sturm im Fahrkartenautomaten. Auch wenn wir bis 2050 in allen Bussen WLAN haben sollen, hat man sich in München und um München herum nach langen Verhandlungen auf ein neues Preissystem geeinigt. Das wird einfacher. Und dann kommt der Ministerpräsident, dem vor den Wahlen der Arsch auf Grundeis geht, und weil er nicht nur mit Liebkindsein für die Autoindustrie vorhat, die Dieselfahrer beschwichtigen, sondern sich auch um Pendler kümmern muss, macht er einen Vorstoß: mit 1 Euro pro Tag soll man in den bayerischen Metropolen (Nürnberg und Augsburg halten sich auch dafür, noch mehr eine Wahnvorstellung als im aus allen Nähten platzenden München) mit Bus und Bahn fahren können.

Mit dem ÖPNV in Amsterdam unterwegs zu sein, bedeutet da eine Offenbarung. Vor jeder Metro-Station und in jeder Tram gibt es einen Automaten, an den man seine Chipkarte hält. Was man verfährt, das wird abgebucht. Und mit dem auf Touristen zugeschnittenen Amsterdam Travel Ticket kann man zum Flughafen und zurück fahren und noch drei Tage U-Bahn fahren. Für die Hälfte dessen, was die entsprechenden Tickets in München kosten würden. Gut, Schiphol liegt auch nicht so weit draußen wie der Moos-Flughafen. Aber er ist halt viel größer (gut doppelt so groß, Nr. elf in der Welt, München nicht mal in den Top 30 vertreten). Verrückterweise hat man sogar eine neue Metrolinie in diesem Jahr eröffnet. Davon habe ich bei der Messe, auf der ich war, besonders profitiert. Sie hält direkt vor dem Messezentrum. Bisher kam man da gut mit IC und Tram hin (IC direkt vom Flughafen).

Investitionen in Schienenverkehr dieser Größenordnung kann ich mir für  Deutschland gerade gar nicht vorstellen, Ausbaustrecke nach Berlin hin oder her.

Schiphol: WLAN funktioniert einfach, es gibt überall günstige Getränke, und bequeme Sitzbereiche mit genügend Steckdosen (zwei für drei Sitzplätze). Muss ich noch was sagen?

Und du kommst nach Deutschland zurück, und was fällt dir als erstes auf:

Keine Kartenzahlung – NO EC-Cash

Beim Bäcker, in der U-Bahn, selbst im Food-Truck – überall konnte ich in Amsterdam mit Karte zahlen. Für die kleinsten Beträge. Keiner schaut dich schräg an, wenn du wenig zahlst und die Karte zückst.

Holland, du hast es besser. Deutschland, du hast es barer.

Es gibt einen neuen Bildband über Amsterdam. Mal ein bisschen anderer Blick findet zeit.de (naja), vor allem viel leerer als ich es erlebt habe.

In einer Zeit, in der Amsterdam oft als Beispiel für maßlosen Tourismus herhalten muss, schärfen solche Bilder den Blick.

Auch das so ein Satz fürs Recycling Redigieren.

Auftritt Enzensberger:

Gegen die Traurigkeit der heimlichen Enttäuschung, gegen die Verzweiflung des Voyageurs wuchs dem Tourismus indes kein Kraut. Die Trostlosigkeit ist dem Touristen vertraut.

Und doch reisen wir, mit Flixbus und Ryanair.

In den familienfreundlichen Reiseratgebern fehlt der Hinweis vielleicht, aber dennoch ist der Rotlichtbezirk von Amsterdam immer noch eine der Attraktionen der Stadt, so wie die Reeperbahn in Hamburg – vielleicht sogar noch mehr.

Das muss sich auch die Straßenbahnfahrerin gedacht haben, als sie die Gruppe spanischsprachiger Jungs in die Tram einsteigen gesehen hat. Die standen definitiv unter dem Einfluss von Mitteln aus dem Coffeeshop. Das sagte mir der Geruch ihrer T-Shirts sowie die Tüten mit Schokolade, die sie mit sich rumschleppten.

Anders als in der Metro wird in der Tram die Haltestelle noch von der Fahrerin selbst per Mikro angesagt. „Dam“, und dann ergänzte sie, „Rotlichtbezirk“. Auf Englisch natürlich, frau hilft, wo sie kann.

Frau an Fahrrad in Pulk von Rädern in Amsterdam. Foto: Trae Gould/Unsplash

Frau an Fahrrad in Pulk von Rädern in Amsterdam. Foto: Trae Gould/Unsplash

Städte können anders aussehen, wenn man sie konsequent fahrradfreundlich denkt. In Deutschland denkt man an Münster, wenn man an Fahrradstädte denkt. Orte, in denen man mit dem Fahrrad gut herumkommt und nicht angehupt wird oder gar angefahren wird. Amsterdam ist da Welten weiter, so wie skandinavische Städte auch. Auf einer Ausfallstraße in der Innenstadt gibt es eine Autospur, die sich Autos mit den Trams teilen. Aber die Fahrradfahrer haben jeweils einen dedizierten Radweg in beide Richtungen. So muss das sein. Kein Wunder, dass der Anteil der Radfahrer im Verkehrsmix in Amsterdam so hoch ist:

Nearly 30 percent of Dutch commuters always travel by bicycle, and an additional 40 percent sometimes bike to work, according to FietsBeraad [PDF].

Photo by Trae Gould on Unsplash

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