Es gibt aber auch Podcasts, die aktives Zuhören verlangen. Wo man mitdenken muss, schnell sein, die Anspielungen und Gedankengänge verstehen. Recode Decode ist so einer, weil Podcast-Gastgeberin ihren roten Stuhl auch mal zum heißen Stuhl macht. Wenn wir jetzt davon rede, Facebook seien zu Waffen geworden („weaponizing social media“), dann liegt das meiner Meinung auch an ihrem Framing.
Ezra Klein ist der Gründer von Vox, und da er nicht mehr als Chefredakteur für die Organisation des Teams verantwortlich ist, hat er noch mehr Zeit für seinen Podcast, nehme ich an. (Übrigens ganz ähnlich zu Swisher, die mal Chefredakteurin von Recode Decode war, aber sich selbst nicht als gute Chefin gesehen hat. Vox und Recode gehören übrigens der gleichen Mutterfirma, Vox Media.)
Ein staubtrockenes Thema wie humanitäre Hilfe wird zu einem inspirierenden Gespräch, wenn der Interviewer seine Recherche-Hausaufgaben gemacht hat – und mit Bill Gates einer der größten Wohltäter der Gegenwart zu Gast ist. Und ich war schlicht beeindruckt. Klein kannte sich sogar in Details der internationalen Zusammenarbeit aus, und Bill Gates hat seinen unwidersprochenen Intellekt in den letzten Jahren auf ein neues Thema, eben den Arbeitsbereich seiner Stiftung, angewandt. Er scheint die wichtigsten Autoren, Bücher, Studien und auch Politiker zu kennen. Er kann Länder besser charakterisieren als ich das von einem Vertreter der aktuellen US-amerikanischen Regierung erwarten würde. Ja, er klingt manchmal wirklich wie ein Berufsdiplomat.
Zu einem ganz anderen Thema hat sich Ezra Klein jetzt mit Jay Rosen unterhalten, dem streitbaren Journalismus-Professor unterhalten. Wie steht es eigentlich um den Journalismus und warum kann der Journalismus nicht strukturell mit Krisen und Fehlleistungen umgehen? Das ist aus meiner Sicht eines der wichtigsten Themen der gegenwärtigen Journalismusforschung, aber auch sehr sperrig.
Die beiden schaffen es, und das liegt auch daran, dass Klein nicht auf Defensive spielt: Er gibt gleich Fehler zu und auch seine Ratlosigkeit. Und Menschen erkennen, ob Vertreter von Organisationen mit menschlicher Stimme sprechen (Hallo, Cluetrain). Beeindruckend, der Grad der Reflexion und der Gesprächskultur. Anhören. Hier eine Idee aus dem Gespräch, das auch als Transkript vorliegt: Wenn der Journalismus im Kapitalismus agiert, ist er dann nicht incentiviert, auch Unterhaltungselemente in seine Berichterstattung einzubauen, und gewinnt dann am Ende nicht die Unterhaltung?
How Donald Trump, Michael Avenatti, and Twitter hack the press – Vox:
One of the things that slips in there, of course, and I know you’ve written about this, is that entertainment logic can actually be the logic that a news company is operating under, and it doesn’t have to explain that to its users, or even to itself.
An example I would use is the way that CNN has purchased these pro-Trump talking heads. That doesn’t have any editorial logic to it. It makes sense to have conservative voices. It makes sense to have people from the middle of the country. It makes sense to have people who have certain priorities.
It doesn’t make editorial sense to have a pundit who is defending Trump, right or wrong. But it does make entertainment sense to have people like that on the air, if you are following entertainment logic. Entertainment logic has become a huge part of what the news system, especially the cable news system, does, but it’s described as news.
Ein anderer Gedanke aus dem Gespräch: Sind Abo-Modelle nicht ähnlich verführerisch incentiviert? Tendiert man als Journalistin in einem abofinanzierten Unternehmen (NYT, WashPo) nicht dazu, der Kern-Zielgruppe nach den Interessen zu schreiben? Gibt es da nicht eine sich selbst verstärkende Tendenz, hin zum Extremen?
Tolles Gedankenfutter, für alle, die sich für Events wie die Medientage in München oder das Scoopcamp in Hamburg interessieren.