IA Konferenz 2014: ein kleines Fazit

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Konzeption

Angefeaturerter Einstieg

Berlin hat sich von der schönsten Seite gezeigt. Frühsommer, Dachterrasse, Blick auf den Sonnenuntergang. Und das vor pittoresker Kulisse, wenn man das zum Fernsehturm am Alex, der Kunstwelt des Potsdamer-Platz-Ensembles und vielen Baukränen sagen darf. Gendarmenmarkt war auch dabei, der zählt für drei als echt historisch, oder?

 

Berlin ist die richtige Stadt, um eine Konferenz zum Thema Brand Experience auszurichten. Das war das Thema der IA Konferenz, der Konzepter-Konferenz, in diesem Jahr. Die Stadt selbst ist eine weltberühmte Marke. Arm, aber sexy, der Himmel über Berlin, den Untergang, Marlene, Honecker, Bär und BER; die Stadt hat wirklich schon alles gesehen. Insofern ist der Veranstaltungsort direkt am Gendarmenmarkt, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, ein guter Ort für Experience Designer. Dort, wo Berlin am touristischsten ist, wo die Hop-on-hop-off-Busse der Busgesellschaften halten, wo die All-Inclusive-Mentalität ein paar wirklich schöne Fotogelegenheiten vorfindet. (Noch trauriger, kurz vor dem Vorbeiwehen von Rollbüschen, ist der Platz an einem Samstagmorgen um 8 Uhr. Da ist niemand zu sehen, denn Berliner sind aus diesem Teil der Stadt längst weggentrifiziert worden.) (Note to self: Zwei palavernde Absätze sollten als bunter Einstieg und Rahmen wirklich ausreichen. Naja, ist echt zuviel des Guten.)

Berlin ist immer auch Bühne. Die Stadt lässt viel mit sich machen. An diesem letzten Maiwochenende hat die Stadt die Konzepter und Informationsarchitekten des Landes gerufen und die gesamte Branche ist gekommen. Da sind die Stars der Szene, die Preisträger des Referentenpreises aus dem Vorjahr – der Hias, der Rainer, der Rupert. Und da ist das unfassbar rührige Veranstalterquintett, das eine unheimlich pünktlich ablaufende Konferenz hinbekommt. Etwa 330 Leute sind da, das ergibt die Tombola von Buchgewinnen am zweiten Veranstaltungstag. Letztes Jahr habe ich bereits geschrieben, dass dies die erste Konferenz war, auf der jeder auf Anhieb verstanden hat, was ich so mache. Es ist ein Klassentreffen, oder wenn man es wie Volker Buchenau von Pixelpark etwas ausgefallener mag, wie das Zunfttreffen einer mittelalterlichen Handwerkerschaft.

Des Rudels Kern

Als Konzepter befindet man sich im Venn-Diagramm von Transpiration und Inspiration. Da ist eben auch viel Handwerk, aber auch künstlerische Funken. Gerade die Redner, die mehr Marke in ihrem Titel und in ihrem Leben tragen, wie Pia Betton von edenspiekermann oder Annica Weis von Whybrand, haben immer wieder betont, dass man vor lauter Prozessen auch genug Platz für Kreativität lassen solle. Methodenhuberei zum Selbstzweck verkommen zu lassen, verstelle den Blick auf den Sinn, den das Ganze haben solle: Marke machen und damit einen positiven Return on Investment. (Ganz lustig, dass man den Wert von Marken wohl nur mit dem berühmten Ranking von Brandz / Interbrand rechtfertigen kann. Gleich drei Redner von denen, die ich gesehen habe, taten das.)

Prozesse. Methoden. Das mögen die Macher der Konferenz, seit Jahren werden die gesponserten Methodenkarten in den Pausen der Tagung wild hin- und hergetauscht. Der beste Eisbrecher, den ich für Konversationen auf Kongressen kenne. Bitte beibehalten! Aber nächstes Jahr kommt eh die hundertste Karte heraus. (Ich freue mich auf die Schuber für die Karten, die es dann sicher geben wird. Kleiner Scherz.) Auch die Verlosungen am Rande sind handwerklich orientiert: Bücher von O’Reilly und Softwarelizenzen von Axure, einer Prototyping-Software. (Danke für den Buchpreis mit der Nummer 83, Mobile Pattern Design Gallery von Theresa Neil.)

Aber auch die Redner stellen ihre eigenen Prozesse gern in den Mittelpunkt ihrer Vorträge. Der eine hat Branded Interaction Design mit seiner Agentur erfunden (Marco Spies von Think Moto), und gleich in einen Bildband gegossen. Ein anderer (Volker Buchenau von Pixelpark) prahlt gleich mit zehn Methoden, die er in seinem letzten Projekt angewandt habe, wieder ein anderer (Markus Lackner von Kraftwerk) stellt en detail die Methode Brand Persona Workshop vor. (Letztes Jahr war Agil das Überthema der Veranstaltung, das war natürlich noch methodiger. Von daher: dieses Jahr ein besseres Jahr für alle Kreativen.) Ich überlege mir schon mal eine Methode für meinen Vortragsvorschlag nächstes Jahr, Arbeitstitel Unicorn goes Chaos Monkey Trip. (Ein Scherz.)

Mein Eindruck ist, dass sich die Branche professionalisiert hat. Selbst Pixelpark ist in Bielefeld angekommen. Der Großteil der Teilnehmer kommt aus dem Agenturbereich. Das Gespräch über Kunden ist ein ständiger Topos in den Pausengesprächen. Mir schien es so, als ob die Kunden immer selbstbewusster und vor allem informierter werden.Bei der Deutschen Post wurde etwa im Entwicklungsprozess der Multiscreen-Experience vom Kunden selbst ein Crowdtesting-Schritt gefordert. Also kam der angemalte Klickdummy nicht erst mit dem Launch zu real existierenden Menschen IRL, sondern bereits an 300 Crowdtester vorab. Für mich war es der zweite Besuch, viele andere kennen die Veranstaltung seit sieben Jahren. Nicht nur deshalb duzt man sich. (Mein Nachname macht es auch schwer, mich damit zu begrüßen, zugegeben.)

Die Szene scheint sich auch erheblich vergrößert zu haben. Bei der Eröffnungsfrage, wer noch nie da war, gingen aber dennoch erstaunlich viele Hände in die Luft. Willkommen, Konzepter der Welt! Naja, immer noch ist die Veranstaltung eine sehr deutsche Geschichte – die Vorträge waren meines Wissens nach alle in Deutsch, auch die meisten der Folien. Als international gelten da schon Speaker aus Österreich und der Schweiz, über die sich Jan Jursa, einer der Veranstalter, so herzerfrischend ehrlich freute. Da fallen die Buzzwords natürlich noch mehr auf.

Fazit vom Fazit

Ein Fazit fällt schwer, vor allem bei einer Zwei-Tracks-Konferenz, bei der die eigene Auswahl der Vorträge den Eindruck bestimmt. (Rückblick: Letztes Jahr passte das Thema für mich perfekt, da ich in einem agilen Prozess als Product Owner mit einem Entwicklerteam arbeite.) Als ziemlich senioriger Konzepter nehme ich aus jedem Vortrag meist bloß ein paar Kernideen mit, der Rest ist oft been-there-done-that. Augenverdrehen gab es auch, aber im Allgemeinen war die Qualität der Vorträge ok. Pia Betton war ein Ausreißer nach oben, auch Jens Scholz und Lena Körpe mit ihrer low-key-Präsentation eines monströsen Updates der Mitarbeiterportale der Telekom. Der Pitch im Programm ist eh meist das Beste, Delivery kann nicht jeder. Selbst Rainer Sax knallte im Vorjahr noch ein bisschen mehr. Ihn würde ich aber gern noch mal als Rainer sehen, nicht nur wie er Sascha Lobo channelt. Am Ende noch einige Wünsche an die Veranstalter fürs nächste Jahr:

  • Schreibt in das Programm auch die halbe Stunde, die man für die Registrierung braucht. Lasst ruhig die Veranstaltung erst um halb zehn beginnen. Früher schaffen wir es ohne Kaffee und selbst mit Kaffee doch nicht. Kaffe, wie man in Balin sagt.
  • Überlegt, ob es bei zwei Tracks nicht doch sinnvoll wäre, alles aufzuzeichnen und zumindest den Konferenzteilnehmern hinterher als Video zur Verfügung zu stellen. Das wäre mir sogar 50 Euro mehr an Ticketpreis wert.
  • Neben den Methodenkarten führt bitte Buzzwordkarten ein. Auf ihnen kann man Bingo spielen. Je nach Reihenfolge und Auswahl der Vorträge kann man dann ja Buzzwordbingopreise verleihen. Die müssten A5 sein, denke ich. Vielleicht findet sich da ja ein neuer Sponsor.

Kleiner Hinweis in eigener Sache: In den nächsten Tagen werde ich auch noch über einzelne Vorträge bloggen. Und vielleicht finde ich auch schöne Fotos zum Bebildern.

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