HQ Trivia – was macht die App so gut und süchtigmachend?

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App / Software / User Experience
Kurz vor acht. Fertigmachen für HQ Trivia. Foto Pexels
HQ Trivia fasziniert mich. Selten finde ich Apps so gut wie diese eine. Ich halte sie für genauso gut gemacht wie die großen Apps: Facebook, Spotify, Netflix. Daher will ich hier an dieser Stelle auch darüber schreiben, auch wenn ich viele Breakdowns der App schon im Netz gefunden habe.

Elevator Pitch HQ Trivia

HQ Trivia ist „Wer wird Millionär“ für die Generation Snapchat.

Frage-Layout bei HQ Trivia. Es gibt immer drei Antwortmöglichkeiten. Screenshot: HQ Trivia

Frage-Layout bei HQ Trivia. Es gibt immer drei Antwortmöglichkeiten. Screenshot: HQ Trivia

Produktbeschreibung

Stell, dir vor, eine App auf dem  Smartphone schickt dir abends eine Push-Nachricht: Komm jetzt ein Quiz spielen und gewinne einen Anteil am Jackpot, wenn du alle Fragen richtig beantwortest? Das macht HQ Trivia. Zur vollen Stunde beginnt das Spiel zum angesetzten Spieltermin mit einem Countdown, noch zwei Minuten! Dann tritt der/die Host auf in einem (vertikalen!) Videostream auf dem ganzen Smartphone auf – und begrüßt ein paar Teilnehmer. Oben links in der Ecke sieht man auf dem Screen, wie viele Teilnehmer gerade mitspielen.

Spiel-Mechanik

Nach einer kurzen Moderation fängt der/die Host an, Fragen zu stellen. Mal acht, bei Spezialausgaben; in Deutschland zwölf, wie zu Anfang in den USA auch. Derzeit sind es in den USA 15. Zu viele Gewinner, zu kleine Stücke vom Kuchen. Wer alle Antworten richtig hat, gewinnt einen Teil des Hauptpreises.

Man kann sich selbst bei den Gewinnern sehen. Screenshot: HQ Trivia

Man kann sich selbst bei den Gewinnern sehen. Screenshot: HQ Trivia

Wie viele spielen schon HQ Trivia?

In Deutschland werden im Sommer 2018 jeden Abend 500 Euro ausgesetzt. In den USA sind es meistens 5.000 Dollar, manchmal auch mehr. Hierzulande nehmen derzeit ein paar tausende Spieler teil*, in Amerika im Schnitt mehrere hunderttausend, in der Spitze bis zu zwei Millionen. Auch wenn sich das Wachstum abgeschwächt zu haben scheint.

Aber auch hier fallen immer mal wieder neue Rekorde an gleichzeitigen Mitspielern: HQ Insiders trackt die Zahlen, vollkommen unabhängig von der Main-App. Die findet man im Netz kaum, sondern nur in den mobilen App-Stores.

Wie schwer sind die Fragen bei HQ Trivia?

Die meisten Spielrunden sind General Interest, es kommen Fragen aus allen Bereichen, wie in einer „normalen“ Fernseh-Quiz-Show, die es ja fast nicht mehr im Fernsehen gibt. Gut, sieht man von dem Dauerbrenner „Wer wird Millionär“ ab. Ab und zu, etwa nach dem Finale der Fußball-WM, gibt es Spezialausgaben zu einem Thema, in dem Fall Sport.

HQ-Trivia-Frage: Wie hieß die Insel Sri Lanka früher? Screenshot: HQ Trivia

HQ-Trivia-Frage: Wie hieß die Insel Sri Lanka früher? Screenshot: HQ Trivia

Wie funktioniert das mit dem Extraleben bei HQ Trivia?

Wenn man mal eine Frage falsch beantwortet hat, kann man ein Extraleben setzen. Aber nur einmal pro Spiel und nie bei der letzten Frage. (All das erklärt auch der/die Host bei jeder Ausgabe noch mal im Schnelldurchlauf.) Extraleben bekommt man, wenn man Freunde zur App erfolgreich einlädt (erster Spielbeginn zählt). Oder, wenn man fünf Tage in Folge mitgequizzt hat.

Weitere Spezialausgaben gab es zum Beispiel zu:

  • Heiligabend
  • Golden Globes
  • Grammy
  • Super Bowl
  • Schlussfeier der olympischen Winterspiele
  • Oscar – Academy Award

Die Fragen werden nach und nach schwieriger, man kann die sogar nach dem Anteil derer, die die richtige Antwort wussten, sortieren, wenn man ein Daten-Nerd ist wie die Leute bei HQ Insiders. Eine tolle Visualisierung des Trichters sieht man in diesem Stück der Washington Post (Scrollytelling).

Während des Spiels kann man in einem allgemeinen Chatraum hineinschreiben. Aber Vorsicht: Hier werden oft falsche Antworten vorgesagt. Jeder Teilnehmer ist incentiviert, die falsche Antwort zu sagen – auch wenn er es besser weiß.

Wenn man kurz vor Ende eine Frage falsch beantwortet hat, kann man ein Extraleben setzen. Das habe ich letztens auch gemacht, und zum ersten Mal spürbar Geld gewonnen: 25 Euro. Und tatsächlich waren keine 24 Stunden später die Gewinne auf meinem PayPal-Konto. Das finde ich, gelinde gesagt, beeindruckend.

Ich bin erst mit der deutschen Fassung von HQ Trivia auf die App aufmerksam geworden, weil die normalen Spielzeiten (20 Uhr) besser zu meinem Leben als die Sendung in der Nacht (21 Uhr US-Ostküstenzeit = 3 Uhr in der Früh, meistens zumindest) passt. Sogar meine Kinder lieben die App. Auch wenn sie die Fragen nicht beantworten können fühlen sie doch den Sog der Mechanik. Spiel. Heute. Wieder. Mit. Die Retention-Metriken sollten ganz gut sein, denke ich.

Einfach, aber oho!

Dabei könnte ich mit einem gescheiten Entwickler die App in einem Prototypen leicht nachbauen. Und doch, man würde ihren Reiz nicht klonen können, denke ich. (Vorsicht Fernsehsender, plumpes Plagiat wird nicht gehen.) Es ist einer dieser Fälle, wo man sich fragt: Warum war das nicht immer schon da? Alles an der App scheint mir perfekt.

Was müsste dieser Prototyp können?

  • App-Rahmen
  • Videostream im Hochformat, etwa 360p
  • Switch-Technik dahinter – erst Warte-Video, dann Filler, dann Live-Stream
  • Frage-Mechanik im Overlay über dem Video (spart Bandbreite!)

Für mich ist HQ Trivia die erste App mit einem Einschaltbefehl. Sie ist wie Live-Fernsehen. Wenn ich einen Fernsehsender beraten würde, würde ich sagen: die App kaufen! Auch wenn das wahrscheinlich nicht möglich wäre, denn Intermedia Labs, die Firma hinter der App, ist venture-finanziert. Derzeit etwa 15 Millionen Dollar Funding, sagt Crunchbase. 8 Millionen, sagt Bloomberg:

The purse is paid by Lightspeed Venture Partners, Intermedia’s main backer, which has invested $8 million.

Mit gesponserten Fragen verdient die App (angeblich) ab und zu Geld, und das, obwohl sie so viel Geld ausschüttet. Aus derselben Story aus dem Januar:

Like any sensible, promising, VC-backed startup, Intermedia isn’t trying to make money. But “advertisers are obsessed,” says Chief Executive Officer Rus Yusupov. “They’re hitting us up.”

Gegründet haben die Firma zwei der Vine-Gründer. Aha, deswegen fühlt die sich auch so smooth und perfekt an. Und wie Twitter selbst, Ex-Besitzer und -Betreiber von Vine, ist die App als Nebenprojekt entstanden:

it was conceived as part of an attempt to promote Intermedia’s video app Hype, which failed to catch on

Denke Odeo = Hype, Twitter = HQ Trivia.

Apropos: Fernsehen, Einschaltbefehl, Live-Event, must-see TV.

Wenn ich das hier lese, dann ist die App eine Fernseh-App:

HQ: Inside the Game Show App Phenomenon – Rolling Stone:

On a recent Thursday afternoon, Scott Rogowsky perches in a makeup chair, staring intently at the MacBook on his lap with 30 minutes to go until showtime.

Dauer-Moderator Scott Rogowski war zu Gast bei Stephen Colbert. Ja, das Fernsehen nimmt HQ Trivia längst wahr.

Second Screen? First Screen!

Ich habe mir bei ProSieben lange und viele Gedanken über eine Second-Screen-App als Parallelprogramm zum Live-Fernsehen gemacht. Das Ergebnis war meist Murks. Die App durfte nicht zu anspruchsvoll sein, und auch nicht das TV-Programm kannibalisieren. Und sie durfte nur wenige Sekunden Latenz haben.

Latenz und Synchronizität: HQ Trivia hat beides gelöst

Latenz ist das schwierigste Problem, das HQ Trivia gelöst haben dürfte:

 A 30-second delay isn’t practical for HQ, whose players have only 10 seconds to answer each question. Intermedia has just two seconds to compress its feed.

Vielleicht ist auch weniger die Latenz als die Synchronisierung von Videostream und Fragen. Aber wenn der gleiche Mitspieler im gleichen Raum in einem anderen Netz (WLAN vs. Telefonanbieter) eher die Fragen bekommt, und man vielleicht so 20 Sekunden zum Beantworten gewinnt, verändert das die Spielmechanik immens. Also darf es auch nicht zu viel Latenz geben.

Auch deutsche Fernsehsender haben sich überlegt, ob sie nicht HQ Trivia kopieren sollten. Bisher haben sie es nicht, aber es gibt bereits so viele Klone, dass es jetzt eine eigene Rubrik bei Product Hunt gibt. Also – hoffen auf eine Fortsetzung der deutschen App. Ich will noch mal gewinnen. Wenn ihr sie auch mal ausprobieren wollt, seid doch so nett und gebt meinen Referral-Code grzbielok beim Anmelden ein:

Button HQ Trivia

Dafür kriege ich ein Extraleben. Wenn ich schon billig rüberkomme, dann für so etwas 🙂

*Derzeit pausiert die deutsche Ausgabe. Ich habe den deutschen Twitter-Account um eine Erklärung gebeten. Vielleicht kommt sie auch nie wieder?

Foto: Mabel Amber/Pexels

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