Filmkritik „Bohemian Rhapsody“

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Film
Rami Malek vor ein paar Jahren bei der Comic Con in San Diego. Foto: Gage Skidmore/Flickr
Wir waren mal wieder zu zweit im Kino, Muckelmom und ich. Die Kinder waren bei der Oma gut aufgehoben, und wir konnten zwei Stunden plus ein bisschen dem Alltag entfliehen. Zu Queen.

(Reimt sich, gemerkt?)

Denn „Bohemian Rhapsody“, die Dramatisierung des Lebens von Freddie Mercury, war auch bei uns im Kleinstadtkino zu sehen. Der Film beginnt und schließt mit dem Höhepunkt der Band, dem viel zu kurzen Auftritt beim Live-Aid-Festival in Wembley.  Den gibt es natürlich auch bei Setlist.fm, was ich nie gedacht hätte.

Der Film selbst ist lange nicht so gut wie die Musik (welche andere Band hat DREI wirklich gute Best-of-Alben?), aber das habe ich auch nicht wirklich erwartet. Selbst Regisseur Bryan Singer kann dem Material nicht wirklich seinen Stempel aufdrücken. Freddie ist größer als alles. Dabei ist das mit dem Regisseur-Titel so ein Ding:

Singer was fired from “Bohemian Rhapsody” two weeks before production wrapped for unprofessional behavior, namely his repeated failure to show up to set. He was replaced with Dexter Fletcher. Singer will still receive credit for directing the film.

Wohl nichts Neues, das soll Singer bei anderen Produktionen auch so gehalten haben – wochenlang vom Set verschwunden sein, sich mit Schauspielern angelegt haben. Außerdem gab es neue Vorwürfe, dass er einen männlichen Teenager (minderjährig) belästigt haben soll.

Singer macht gar nix mehr für den Film, keine Promo, nix. Das Studio hat ihn quasi gestrichen. Ihm jetzt also das Endprodukt, das eine Nummernrevue ist für den besten Soundtrack aller Zeiten, vorzuwerfen, geht also an der Sache vorbei.

Dennoch.

Alles wird erzählt, wie sich die Band findet, wie sich umbenennt, wie der Künstlername Mercury entsteht, wie man mit dem alten Studio um die Single „Bohemian Rhapsody“ feilscht, wie Mercury mit seiner Frau zusammenlebt, einer Verkäuferin; dann seine Gay-Eskapaden in München und anderswo – natürlich wird der Sex nicht gezeigt, aber die Fluidität von Mercurys Sexualität ist durchaus Thema. Wenn auch das in einer knapperen, tieferen Form sicher noch mal einen eigenen Film hergäbe – es ist bemerkenswert für einen so großen Hollywoodfilm, auch 2018 noch. Milk und Co. sind immer noch die riesige Ausnahme. Der Film schnurrt so dahin, verweilt nirgends, geht nirgendwohin, wo es wirklich weh tut. Alle sind höflich, sogar eine Aussöhnung mit seinem Vater wird noch gezeigt. Mensch, echt. Was aber hängen bleibt: Mercury als zutiefst unglücklicher Mensch, der ausgenutzt wird von Speichelleckern, der einige wahre Freunde wegstößt und sie dann wieder an sich heranholt, die griffige Erzählung von der Band als Ersatz-Familie des Ausnahmekünstlers. Und dass der junge Mercury auch als Kofferschlepper am Londoner Flughafen Heathrow gearbeitet hat, erzählt nix so prägnant wie dieser Werbespot für den Film, den British Airways produziert hat.

Gar nicht zu schmälern ist die Leistung des Hauptdarstellers:

Rami Malek IST Freddie Mercury, und ich hatte so meine Zweifel, ob er die überdimensionale Bühnenpräsenz würde aufbringen können. Kann er, auch wenn nur Playback singt. Meine Güte, auf ihn richten sich alle Blicke, von Mann und Frau, in jeder Szene. Und irgendwann weiß er es auch und glaubt an sich in der Rolle – die Mercury-Werdung von Farrokh Bulsara ist unbedingt glaubwürdig dargestellt. Wenn es für den Kraftakt keine Oscar-Nominierung für Rami Malek gibt, weiß ich auch nicht, für was es heutzutage so eine Auszeichnung gibt.

Wertung: drei von fünf Mikrofonständern

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