Die Platte mit den Zombie-Coverversionen. ‚Tschuldigung, Jochen Distelmeyer

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Musik
ARRRRR!

Das ist ein guter Einstieg, aber ich habe mich einfach so aufgeregt.

Drei Schritte zurück.

Ich hatte ja gelesen, dass der Sänger von Blumfeld jetzt allein Musik macht unter seinem wunderbar eingängigen Namen Jochen Distelmeyer. Sein neues Album „Jetzt zersägt er auch noch englische Pop-Hits mit seinem dünnen Stimmchen“ ist jetzt erschienen. Ich habe es gestern bei Spotify heruntergeladen, im Skip-Modus durchgehört und bin jetzt bereit, es zu verreißen. Von meinen Downloads entfernt habe ich es schon.

Ich war gewarnt. Jan Böhmermann und Olli Schutz hatten das Album in ihrer Radiosendung „Sanft und Sorgfältig“ bereits reichlich gedisst.

Dabei – für diese Art von Musik habe ich eine Schwäche. Meine Frau kann davon ein Lied singen. (Ich habe gerade einen Witz gemacht, toll was?) Wenn wir in Rosenheim frühstücken gehen, tun wir das bei Aran, und da läuft starbuckifizierte Musik, so nenne ich das. Spotify nennt das Kaffeehausmusik und es gibt sogar eine Playliste dazu, die ich gern höre.

Was ist das? Das sind ruhige, mellow Titel oder die akustischen Coverversionen von bekannten Titeln. Ein besonders prägnantes Beispiel ist die Version von XOXO von John Mayer. Das bringt an dem Queen-Bee-Titel neue Facetten hervor.

Das ist auch mein Kriterium für eine gute Bewertung. Wird dem ursprünglichen Material etwas abgerungen, was vorher verschüttet war, oder wo vor lauter Komprimierung die Ohren vorher nicht darauf stoßen konnten?

Ein anderes sehr gelungenes Beispiel ist das gesamte Oeuvre von Postmodern Jukebox, die ich auch bei Patreon schon unterstützt habe. Das ist eine Band mit einem Spiritus Rector am Piano und wechselnden Sängern, die tolle Cover produzieren. Das Umbrella-Cover habe ich vor kurzem bei Facebook geteilt.

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Es ist Sonntagmorgen, Valentinstag noch dazu. Zeit für ein paar musikalische Sonnenstrahlen. Trotz des Titels zaubert…

Posted by Dominic Grzbielok on Samstag, 13. Februar 2016

Jetzt aber zu dir, Jochen Distelmeyer. Er blumfeldifiziert die Titel. Das ist so etwas wie das Schächten der Pop-Hymnen. Aus Bittersweet Symphonies von The Verve treibt er sowohl den Schmackes als auch die Verachtung eines Richard Ashcroft heraus. Es ist, als würde ein Zombie dieses Lied singen. Das Lied selbst wirkt todesgeküsst, es hat keinen Lebenswillen mehr. Sein größter Freund ist die Pause-Taste auf dem Smartphone-Display. Meine Frau hat das Majestätsbeleidigung genannt, aber es geht noch weiter. Distelmeyer macht sich die Lieder zu eigen, damit verlieren sie aber alles, was sie ausmacht.

Es gibt eine Ausnahme, das ist Toxic, der Britney-Spears-Titel. Da gibt es noch einen irren Kontrast zwischen dem Intellektuellen, der sich mit einem Stoff schmückt, der platter und hochglänzender nicht sein könnte. Das ist gesungene Ironie. Für einen Auftritt in einer Late-Night-Show wäre das großartig. Drei Minuten mit dem Kopfhörer sind nicht der richtige Rezeptionsrahmen für die Musik. 40 Minuten am Stück sind nachgerade der Tod.

Es gibt eine Welt, in der ich mir diese Distelmeyer-Destruktionen gut anhören könnte. Das ist, wenn er bei Jimmy Fallon zu Gast wäre. Die beiden jammen hinter der Bühne mit den Roots, und auch sein komisches, deutsch gefärbtes Englisch würde zur ironischen Diskussion mit beitragen. Die beiden probieren Lieder durch, die zu ihnen passen, und Fallon bringt die Inbrunst mit, die die Lieder brauchen, wenn man sie sich zu eigen macht. Je schräger die Zusammenstellung, umso besser. Ohne Inbrunst sind sie anämisch, werden wie schon angedeutet leblos. Ein charmant dahingeleiertes Lied wie Video Games bekommt von Distelmeyer den Todeskuss. Er führt das Lied durch seine Interpretation nicht auf eine neue Ebene, sondern richtet es zugrunde.

TL;DR

Das neue Album mit akustischen Coverversionen von Jochen Distelmeyer ist schlimm. Furchterregend schlimm.

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