Buchkritik: Fernsehjournalismus

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Bücher / Journalismus
Vielleicht war mein Anspruch zu hoch, aber Fernsehjournalismus ist ein Werk für Einsteiger, die den handwerklichen Aspekt des journalistischen Fernsehmachens lernen wollen. Wer Preise gewinnen will, braucht dafür ein paar Jahre Erfahrung. Wer erst mal Geld verdienen will, braucht dieses Buch. (Wahrscheinlich ist das eh das beste Lob, das ich verteilen kann.)

Der Anspruch ist ja nicht gerade gering. Das Buch deckt alles ab, vom Storytelling, über Recherche, Darstellungsformen, Dreh, Schnitt, Texten und Rahmenbedingungen, in denen Fernsehjournalismus entsteht, alles ab. Bei mir blieb ein mulmiges Gefühl. Es erinnert mich daran, dass in manchen Journalistenschülerkursen Respekt für Stern TV als journalistisches Fernsehformat existiert, aber kein Wissen um die gefälschten Beiträge vorhanden ist. Wo der Berufswunsch Moderator ist eher als FernsehJOURNALIST.

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Mir liegt die zweite, nach eigenen Angaben völlig neu bearbeitete Auflage vor. Sie liest sich wie ein Text zum Vorlesen, süffig, einfach geschrieben. Er stammt von Fernsehpraktikern, soviel macht die Lektüre klar. Einen Verständlichkeitstest würde das Manuskript gut bestehen, es ist auch besser lektoriert als manches aktuellere Werk, das im Selbstverlag erscheint (ich denke da zuletzt an „Snap Me If You Can“ über Snapchat).

Der Neuling lernt, dass gerade bei der fernsehjournalistischen Recherche schon Ideen für Bilder produziert werden sollten, und dass viele Beiträge im Kopf schon geschnitten sind, bevor der Fernsehjournalist mit Kameramann/-frau ausrückt, um zu drehen.

Kritik am Buch gibt es natürlich auch

Was stört mich also an dem Buch? An dem, was nicht drin ist.

  • Von wirklich aufwändigen Recherchen, auch wie man bildarme Themen in Bilder umsetzt, war keine Rede. Das ist ja etwa das, was die TV-Magazine der öffentlich-rechtlichen Sender oft leisten müssen.
    • Nächste Frage an mich selbst: Warum ist es nicht drin? Weil es nicht relevant ist. Wer in ein solches Umfeld will, braucht das Buch nicht, sondern eine lange Ochsentour durch die Mühlen der Sendeanstalten und Rundfunkhäuser.
  • Videojournalismus. Die Ein-Mann-Crew, sie kommt nicht mehr vor. Ja, sie mag nicht mehr en vogue sein, aber sie entspricht aktuellen Produktionsbedingungen im Lokalen. Siehe auch
  • YouTube: Auch YouTube erlaubt Journalismus. Gerade für Anfänger. Kommt aber nur als Quelle auf den Seiten 30 und 40 vor. Und in der irreführend formulierten Pressemitteilung des Verlags:

»Fernsehen« findet heute nicht mehr nur auf den etablierten TV-Stationen und Sendeanstalten statt. Filme, Videos, Spots und Clips laufen auf YouTube, Vimeo und Co.

Ich bin seit fast 20 Jahren Journalist, wahrscheinlich ist das Buch daher für mich etwas zu kurz gesprungen und ich bleibe kritisch. Aber den Handbuchcharakter für Einsteiger im Fernsehjournalusmus, die groß raus kommen wollen, löst es ein. Auch ohne den Zeigefinger, der bei Autoren aus dem öffentlich-rechtlichen Lager sonst gern mal dabei ist. Besonders den Praxisteil mit den Einstellungsgrößen und die Tipps rund um den Schnitt finde ich überzeugend. Wenn mich also mal jemand nach einem Buchtipps für Fernsehen-Machen fragt, werde ich diesen parat haben.

Daniel Moj, Martin Ordolff: Fernsehjournalismus. UVK Verlag, 2015.

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