Buchkritik: „Die Flüsse von London“ und ihre Fortsetzungen

Schreibe einen Kommentar
Bücher

Jeder angehende Romanautor sollte zur besseren Beschreibung von Orten, Menschen, Gerüchen gut gemachte Kriminalromane lesen. (Manche könnten das brauchen, auch um ihre Sprache weicher, geschmeidiger, eingängiger zu machen.) Danach beobachtet man als Autor die Wirklichkeit besser.

Noch ein Tipp: Und Reisen bildet – auch Autoren. Die minimalen Abweichungen, die man bei einer Reise durch Deutschland sieht, reichen nicht für die Schärfung der Wahrnehmung aus. Bei mir hat eine dienstliche Reise über London dazu geführt, dass sich auch meine Beobachtungsgabe verbessert hat und mein Wortschatz für Eigenschaften angefüllt hat. Das und die Lektüre der Buchreihe über Constable Peter Grant, aus der ich heute stellvertretend den ersten Band mit ein paar Bezügen auf weitere Bände besprechen möchte.

Jeder Roman lässt sich auf einen einfachen Pitch zusammenfassen, mit dem man sich vorstellen könnte, dass das Buch dem Verlag angeboten worden wäre. Bei dieser Tentalogie (heißt das so?), aus der „Die Flüsse von London“ stammen, wäre dies: Ein frisch ausgebildeter Londoner Polizist wird zum Undercover-Harry-Potter, einem Zauberer in Ausbildung. Und die dauert zehn Jahre – was wohl für die Erwachsenenbildung ein langer Zeitraum ist. Die Kollision von Genres scheint ja gerade ganz en vogue zu sein, wie ich an den Jane-Austen-Vampir-Themen gesehen habe, die ich nicht kannte. Der besondere Reiz an der Figur Peter Grant ist, dass der sehr Londoner ist – mehr als er weiß oder schwarz ist, irgendwie ein sehr leicht abzulenkender Polizist. Der sieht oft mehr Anhaltspunkte als seine Kollegen, aber er kommt manchmal von dem ordnungsgemäßen Weg ab – und braucht etwa gesetzestreue Kolleginnen wie Lesley, mit der er die Ausbildung gemacht hat. Lesley ist Thanner zu Grants Schimanski, auch wenn Grant mit Schimpfworten haushält.

Und wie es in jedem Zauberer-Bildungsroman so sein muss, hat auch Peter Grant seinen väterlichen Mentor und Großzauberer. Der heißt Nightingale und ist bis zu Peter der einzige Zauberer in Londoner Polizeidiensten, der mehr als nur ein bisschen den Kontakt mit der britischen Realität verloren hat. Ich sehe vor meinem geistigen Auge immer Bill Nighy ihn spielen – das muss bitte passieren, ja? Danke!

Was bedeutet also der Titel? Auch Orte haben etwas Magisches, lernen wir. Sehr starke Magie geht etwa von Flussgottheiten aus. Und da gibt es Mama Themse und Papa Themse, und die vielen Nebenarme sind auch Familie. Wunderschöne, zum Teil, zum Verlieben schön, und auch uralt – je nach Länge des Flusses.

Offenbar hat der Autor seine Bücher gleich als mehrteilige Serie angelegt, das merkt man, dass in Teil zwei und drei auch „Was bisher geschah“ so erzählt wird, dass man da einsteigen kann. Der erste Teil verbringt mehr Zeit mit der Exposition, weil die ganze Welt etabliert werden muss. Offenbar ist Grant aber ein langsamer Schüler. Bis Band drei wissen wir noch immer noch nicht schrecklich viel über Magie und das, was die Zauberwelt im Inneren zusammenhält.

Was mich bei der Stange gehalten hat, sind die unglaublichen Ereignisse, die mit einer Nonchalanz passieren. Oft nur in einem Nebensatz, der am Ende eines „Eigentlich wollte ich…“-Satzkonstruktes steht. Das ist ein bisschen manieriert, manchmal vorhersehbar, aber weil britisch, eben auch witzig geschrieben.

Über die Ausbildung als Polizist:

This is beacuse nothing builds character like being abused, spat at and vomited on by members of the public.

Die Beschreibungen der Szenen sind so genau, dass man sie vor Augen hat, und sogar auch die magischen Elemente förmlich riechen kann. In der Londoner Zauberwelt äußert sich Magie nämlich durch einen besonderen Geruch.

Das Buch ist gut zu lesen, auch wenn ich auf meinem Kindle-Reader dankbar für die Funktion Word Wise war. Oft genug werden nämlich british-only Worte benutzt, die ich noch nie gehört hatte. Und ich habe auch oft genug noch auf Wikipedia weitergelesen, gerade bei den umgangssprachlich abgeschliffenen oder weiter entwickelten Wörtern. Tube kannte ich schon vorher, aber kipping = schlafend war mir neu.

Zuletzt Sachbücher, warum jetzt ein Roman?

Im Sommer lese ich gern mal Belletristik. Da zuverlässig einer meiner Bekannten bei Facebook nach Empfehlungen gefragt hat, ist das einer der Orte, wo ich Titel notiere und auf meine Wunschliste bei Amazon stelle. Kommen die Tipps von meiner ehemaligen Kommilitonin Katrin Scheib, ist das fast so etwas wie ein Schmidt’scher Lesebefehl. Besser jedenfalls als die Dinge, die ich mir selbst ausgesucht habe, wie etwa zuletzt „Cumulus“. 2+, mindestens.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert